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Politik, Regierung, Parlament, Bundesverwaltung   07.11.2025 14:33:09

SBB vergibt Milliardenauftrag für Züge an Siemens - Bedauern bei Stadler

Bern (awp/sda) - Der Milliardenauftrag für 116 neue Doppelstockzüge für die S-Bahn in Zürich und in der Westschweiz geht an Siemens. Die Entscheidung der SBB für den deutschen Hersteller löst beim unterlegenen Schweizer Konkurrenten Stadler grosses Bedauern aus. Die Züge sollen Anfang der 2030er Jahre in Betrieb genommen werden.

Insgesamt waren drei Anbieter im Rennen, wie SBB-CEO Vincent Ducrot am Freitag vor den Medien in Bern erklärte. Die ausschlaggebenden Kriterien für die Wahl des Herstellers waren demnach die Investitionskosten, der Betriebsaufwand, die Instandhaltungskosten und die Nachhaltigkeit. Gebaut werden die neuen Züge im deutschen Krefeld ab 2028, ein Jahr später sollen erste Test- und Zulassungsfahrten stattfinden und ab 2031 die ersten Einsätze.

Die neuen Siemens-Doppelstöcker erfüllen laut Ducrot folgende Erwartungen: mit Geschwindigkeit einen dichten Fahrplan zu gewährleisten, schnelles Ein- und Aussteigen zu ermöglichen, mit einem hellen Ambiente ein Sicherheitsgefühl zu vermitteln, genügend Steckdosen zu bieten und ausreichend Platz für Gepäck und Velos bereitzustellen.

Um den 2,1 Milliarden-Franken-Auftrag hatte auch der Thurgauer Bahnbauer Stadler Rail gebuhlt sowie ein weiterer Hersteller, der auf Anfrage nicht genannt wurde.

Stadler enttäuscht - Unia mit Unverständnis

In einer Reaktion äusserte Stadler "grosses Bedauern", nicht zum Zug gekommen zu sein. Stadler wollte die Doppelstöcker nach eigenen Angaben in der Schweiz bauen, gemeinsam mit über 200 Zuliefer-Betrieben aus dem ganzen Land. Dadurch wären laut Stadler bis zu 80 Prozent der Wertschöpfung in der Schweiz geblieben. Siemens werde die Züge zwar in Deutschland bauen, die SBB deren Wartung aber in der Schweiz besorgen, sagte Ducrot.

Die Gewerkschaft Unia reagierte mit Unverständnis auf den Vergabe-Entscheid der SBB. Es werde ein Milliarden-Auftrag für Rollmaterial an eine Firma vergeben, die keine Produktionsstätten in der Schweizer unterhalte, beklagte Unia in einer Mitteilung vom Freitag.

Die Gewerkschaft fordert die SBB und den Bundesrat auf, "öffentlich darzulegen, worin bei diesem grossen Rollmaterial-Auftrag die Unterschiede bei den zentralen und entscheidenden Bewertungskriterien - Produktqualität, Erfahrung, Umweltfreundlichkeit, Arbeitsbedingungen, Arbeitsplätze in der Schweiz - bestanden haben", wie sie schreibt.

Stadler Rail hält sich bedeckt, ob das Unternehmen Rekurs gegen die Vergabe der SBB an Siemens einlegt. Die Ostschweizer haben Fragezeichen bei der Bewertung durch die SBB. So ist der Preisunterschied zwischen der Offerte von Stadler und jener von Siemens klein: "Aufgrund der Bepunktung der SBB kann Stadler bestätigen, dass die effektive Preisdifferenz 0,6 Prozentpunkte beträgt - berechnet auf 176 Doppelstockzüge", schrieb Stadler.

Bei einem Auftragsvolumen von rund 2 Milliarden Franken, wäre dies eine Differenz von einer tiefen zweistelligen Millionensumme. "Die anderen Bewertungspunkte der SBB wird Stadler vertieft analysieren", erklärte der Stadler-Sprecher.

Schlechte Erfahrung mit Neuentwicklung

Das deutsche Unternehmen hat seit 20 Jahren keine Doppelstockzüge mehr für die SBB gebaut. Deshalb muss Siemens für den Grossauftrag der SBB einen völlig neuen Doppelstockzug entwickeln.

Dies ist nicht ohne Risiken. Die SBB haben in der Vergangenheit mit der Neuentwicklung eines Doppelstöckers auch schon schlechte Erfahrungen gemacht. Der Fernverkehrszug FV-Dosto vom Anbieter Bombardier, der nach finanziellen Problemen von Alstom übernommen wurde, ging mit grosser Verspätung in Betrieb und machte Schlagzeilen mit vielen Pannen.

Die SBB hatten im Jahr 2010 bei Bombardier 62 neue Doppelstockzüge für den Fernverkehr für 1,9 Milliarden Franken bestellt. Die Einführung des neu entwickelten Dosto-Zugs ab 2018 war von zahlreichen technischen Pannen und Verzögerungen begleitet. Anfangs klemmten Türen, das Betriebssystem stürzte ab, Heizungen und die Klimaanlagen sorgten für Ärger.

Zudem sorgt die neu entwickelte Wankkompensation an den Drehgestellen, die schnellere Kurvenfahrten ermöglichen sollte, für starkes Gerüttel im Zug. Der Zug erhielt den Spitznamen "Schüttelzug".

Ersatz nach 40 Jahren

Der Grund für den neuen Grossauftrag ist die Erneuerung der Flotte: Die 100 Meter langen Züge der ersten Generation der Zürcher S-Bahn müssen nach 40 Jahren ersetzt werden. Die neuen 95 Züge sind grösser: Sie haben eine Länge von 150 Metern und rund 540 Sitzplätze.

Zudem sind sie auf die Anforderungen der Zürcher S-Bahn zugeschnitten. So gibt es zusätzliche Multifunktionszonen, die im Berufsverkehr Platz für Pendler bieten, die stehen bleiben möchten.

Vorgesehen sind zudem Niederflureinsteige bei allen Türen sowie Steckdosen an den Sitzen. Verstellbare Sitze und klappbare Tische sollen den Komfort in der 1. Klasse erhöhen. Die Züge sollen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 160 Kilometern pro Stunde verkehren.

21 weitere Fahrzeuge sind für den Einsatz in der Westschweiz eingeplant - in der RER Vaud und auf der Linie RE33 Martigny VS - Annemasse (F). Die Züge haben in Zürich und in der Westschweiz innen und aussen andere Farben.


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