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Politik, Regierung, Parlament, Bundesverwaltung   07.05.2025 14:08:08

Nationalrat wählt bei Individualbesteuerung einen Kompromiss

Bern (awp/sda) - Die finanziellen Verluste für den Bund und die Kantone bei der Einführung der Individualbesteuerung sollen tiefer ausfallen als vom Bundesrat beantragt. Der Nationalrat sucht in diesem Sinn einen Kompromiss für die Einführung der Besteuerung unabhängig vom Zivilstand.

Er hat sich am Mittwoch hinter den von einer knappen Mehrheit der Wirtschaftskommission (WAK-N) beantragten Steuertarif gestellt, mit dem sich die Verluste auf jährlich 600 Millionen Franken belaufen sollen. In der Version des Bundesrates wären es 870 Millionen Franken gewesen. In der Version des Ständerates sind die Verluste dank einer stärkeren Progression tiefer.

Eine Minderheit um Leo Müller (Mitte/LU) hätte beim Tarif des Bundesrates bleiben wollen, konnte sich aber nicht durchsetzen. Der Rat folgte mit 101 zu 95 Stimmen der Kommission.

___ Übertragung der Kinderabzüge umstritten

In zwei anderen Punkten beharrte der Nationalrat hingegen auf seinen Positionen, gegen den Willen der SVP. Mit 130 zu 66 Stimmen lehnte er die Möglichkeit ab, kinderbezogene Abzüge vom einen Elternteil auf den anderen zu übertragen, aus Rücksicht auf Paare mit stark unterschiedlichen oder mit nur einem Einkommen.

Das schaffe neue Abhängigkeiten und einen bürokratischen Moloch, gab Beat Walti (FDP/ZH) zu bedenken. Die Möglichkeit komme einem Einverdiener-Abzug gleich und sei in der Vernehmlassung abgelehnt worden, fügte Franziska Ryser (Grüne/SG) hinzu.

Für Céline Widmer (SP/ZH) bringt die Individualbesteuerung die Gleichstellung ein Stück weiter voran. Auch die GLP folgte der Mehrheit: Jürg Grossen (BE) sprach von einer den Lebensrealitäten entsprechenden Steuerreform.

Die SVP hingegen hätte die Übertragbarkeit zulassen und dem Ständerat folgen wollen, der die Übertragbarkeit der Zulagen in die Vorlage einfügte. Es sei nicht gerecht, die Hälfte des Kinderabzuges verfallen zu lassen, wenn er mangels genügendem Einkommen gar nicht abgezogen werden könne, sagte Sprecher Paolo Pamini (TI).

Entsprechend zu diesem Entscheid will der Nationalrat im Gegensatz zum Ständerat keine Verfahrensbestimmungen bezüglich der gegenseitigen Einsichts- und Einspracherechte für Ehegatten in der Vorlage. Die SVP forderte vergeblich, dem Ständerat zu folgen, der die entsprechenden Bestimmungen in die Vorlage eingefügt hatte.

___ Knappe Mehrheiten

Die Einführung der vom Zivilstand unabhängigen Besteuerung an sich hatten die Räte schon früher gutgeheissen, mit knappen Mehrheiten. Die SVP und die Mitte-Partei lehnen die Individualbesteuerung ab.

Diese vom Zivilstand unabhängige einzelne Besteuerung bringt laut den Befürwortern für Zweitverdienerinnen und Zweitverdiener Anreize für höhere Arbeitspensen. Das soll die finanzielle Unabhängigkeit aller stärken und dem Arbeitsmarkt mehr Fachkräfte bringen.

Der Bundesrat rechnet mit 1,7 Millionen zusätzlichen Steuerdossiers. Einkünfte und Vermögenswerte von Verheirateten sollen nach zivilrechtlichen Verhältnissen aufgeteilt werden, wie heute bei Unverheirateten.

Die Gegner argumentieren mit neuen Ungerechtigkeiten. An Stelle der Heiratsstrafe gäbe es für andere Steuerpflichtige Steuerstrafen, machen sie geltend. Betroffen wäre namentlich Familien mit traditioneller Rollenaufteilung. Auch führen Gegner die Kosten für die aufwendige Umstellung des Steuersystems ins Feld.

___ Noch kein Entscheid über Initiative

Die Individualbesteuerung soll auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene eingeführt werden. Die Übergangfrist für die Einführung der Neuerung beträgt mehrere Jahre.

Das neue Gesetz über die Individualbesteuerung ist der indirekte Gegenvorschlag zur Initiative "Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits-Initiative)" der FDP Frauen. Über die Stimmempfehlung entscheidet der Nationalrat am Nachmittag. Eine knappe Mehrheit der WAK-N beantragt ein Ja.


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