News story
Volkswirtschaft   03.06.2025 11:53:09

Deflation ist zurück und setzt Nationalbank unter Druck

Neuenburg (awp) - Die Inflation in der Schweiz ist im Mai erstmals seit gut vier Jahren wieder in den negativen Bereich gefallen. Damit ist eine weitere Leitzinssenkung durch die Schweizerische Nationalbank nochmals wahrscheinlicher geworden.

Konkret sank die Teuerung im Mai auf -0,1 Prozent, wie das Bundesamt für Statistik (BFS) am Dienstag bekannt gab. Im Vormonat hatte sie noch bei 0,0 Prozent gelegen.

Letztmals negativ war die Teuerung im März 2021 gewesen. Danach schoss sie im Zuge der Nach-Corona-Verwerfungen und den explodierenden Energiepreisen infolge des Ukraine-Krieges auf bis zu 3,5 Prozent im Sommer 2022 nach oben - ehe sie wieder zurückging. Letztmals über 2 Prozent lag sie im Frühling 2023, seit dem September 2024 notiert sie unter 1 Prozent.

___ Energie billiger

Der weitere Rückgang der Teuerung und die Rückkehr zur Deflation ist laut Experten keine Überraschung und auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. "Einerseits auf Energiepreise, die im Vergleich zum Vorjahr weiter tiefer liegen, und andererseits darauf, dass die Inflation aus dem Mietbereich nachgelassen hat", sagte etwa UBS-Ökonom Alessandro Bee. Für letzteres ist nicht zuletzt der tiefere Referenzzinssatz verantwortlich, wie diverse Experten betonen.

Eine rasche Rückkehr zu deutlich höheren Inflationsraten ist nicht in Sicht. Dies zeigen die zuletzt veröffentlichten Prognosen verschiedener Institute, die für das Gesamtjahr unisono eine durchschnittliche Teuerung von lediglich 0,2 bis 0,3 Prozent vorhersagen.

Er rechne für die nächsten Monate mit einer weiterhin leicht negativen Teuerung, meinte etwa ZKB-Experte David Marmet. Denn die Preise der Inlandgüter dürften seiner Meinung nach in den nächsten Monaten schwächer steigen und die Preise der Importgüter weniger deutlich sinken.

___ Deflation ist ein Problem für die SNB

Das ist für die Schweizerische Nationalbank (SNB) ein Problem. Denn Währungshüter scheuen die Deflation bekanntlich wie der Teufel das Weihwasser, da Preisrückgänge die Gefahr einer sinkenden Nachfrage mit sich bringen.

Denn fallende Preise können die Konsumenten dazu veranlassen, ihre Ausgaben einzuschränken - in der Hoffnung, künftig von noch niedrigeren Preisen zu profitieren. Dies führt tendenziell dazu, dass aus einer Deflation eine Rezession entsteht. Daraus wiederum kann ein Rückgang der Beschäftigung, der Löhne und der Kaufkraft entstehen.

___ Negativzinsen nicht in Sicht

Die meisten Ökonomen erwarten daher, dass die SNB den Leitzins an ihrer nächsten Lagebeurteilung in gut zwei Wochen von 0,25 auf 0,0 Prozent senkt. Diese Zinssenkung sei "so gut wie abgemacht", schrieb VP-Bank-Experte Thomas Gitzel.

UBS-Ökonom Bee meinte zwar, dass die SNB einem einzelnen "negativen" Monat nicht allzu starke Beachtung schenken dürfte. Seit dem März habe sich aber der mittelfristige Inflationsausblick verschlechtert - weil der Franken aufwertet und der Konjunkturausblick sich eingetrübt habe. Deshalb geht auch er von einer Senkung der Nationalbank auf 0,0 Prozent aus.

"Die Inflation liegt unter den Projektionen der SNB vom letzten Zinsentscheid", ergänzte Raiffeisen-Ökonom Alexander Koch. SNB-Präsident Martin Schlegel habe zwar jüngst betont, man werde nicht unbedingt gleich auf jeden negativen Monatswert reagieren. Zusammen mit dem aufgrund der US-Zollpolitik negativeren Wachstumsausblick sei aber dennoch damit zu rechnen.

Mit Negativzinsen rechnen die Ökonomen vorerst aber eher nicht: "Ein negativer Leitzins ist für Zeiten extremer Verwerfungen gedacht. Eine leicht negative Inflation bei gleichzeitig moderatem Wirtschaftswachstum und recht stabilem Euro-Franken-Wechselkurs erachten wir indes nicht als extreme Verwerfung", sagte ZKB-Experte Marmet.

Und VP-Bank-Experte Gitzel meinte: "Da sich die SNB die Einführung von Negativzinsen nicht leicht machen dürfte, ist für die September-Sitzung von einem vorläufigen Festhalten an den Nullzinsen auszugehen.


Zum gleichen Thema

Betroffene Instrumente

N/A