So viele Firmenpleiten in Deutschland wie seit zehn Jahren nicht
Neuss (awp/dpa) - Bei den Firmenpleiten in Deutschland geht es sprunghaft nach oben: 11.900 Unternehmen werden nach Hochrechnungen der Auskunftei Creditreform bis zum Ende des ersten Halbjahres Insolvenz angemeldet haben. Das wären 9,4 Prozent mehr als in den ersten sechs Monaten 2024.
Zwar hat sich der Zuwachs deutlich abgeschwächt - der Wert des ersten Halbjahres 2024 lag um 28,5 Prozent über dem Vorjahreszeitraum -, dennoch erreicht die Zahl der Unternehmensinsolvenzen den höchsten Stand seit 2015. Damals zählte Creditreform von Januar bis Ende Juni 11.530 Firmenpleiten.
"Unternehmen kämpfen mit schwacher Nachfrage, steigenden Kosten und anhaltender Unsicherheit", erklärt der Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, Patrik-Ludwig Hantzsch. "Besonders die finanziellen Reserven schwinden, Kredite werden teils nicht mehr verlängert und immer mehr Betriebe geraten in ernsthafte Schwierigkeiten."
Viele Pleiten in Dienstleistungsbranche
Einen deutlichen Anstieg der Firmenpleiten registriert die Auskunftei im ersten Halbjahr im verarbeitenden Gewerbe (plus 17,5 Prozent auf 940 Fälle) und im Handel (plus 13,8 Prozent auf 2220 Fälle). Der Industrie machen unter anderem gestiegene Rohstoff- und Energiekosten zu schaffen, der Einzelhandel spürt die Kaufzurückhaltung vieler Konsumentinnen und Konsumenten angesichts der Krisen und der Online-Konkurrenz.
Der grösste Anteil der Insolvenzen entfällt mit knapp 7000 Fällen auf den Dienstleistungsbereich, zu dem etwa die Gastronomie zählt.
Die Schäden durch Firmenpleiten summierten sich im ersten Halbjahr auf geschätzte 33,4 Milliarden Euro nach 29,7 Milliarden Euro ein Jahr zuvor. Gestiegen ist infolge von Grossinsolvenzen auch die Zahl der bedrohten Jobs: 141'000 Jobs sind betroffen, im ersten Halbjahr 2024 waren es noch 133'000.
Auch Privatinsolvenzen steigen deutlich
Auch Privathaushalte geraten mehr in finanzielle Not: Die Privatinsolvenzen kletterten um 6,6 Prozent auf 37'700 Fälle im ersten Halbjahr. "Das anhaltend hohe Insolvenzgeschehen löst zunehmend Kettenreaktionen aus. Seit drei Jahren steigen die Fallzahlen bei Privatpersonen kontinuierlich", ordnet Hantzsch ein.
"Die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten sowie Arbeitsplatzverluste, insbesondere in der Industrie, setzen viele Haushalte massiv unter Druck", so Hantzsch weiter.
Steigende Pleitezahlen im Gesamtjahr erwartet
Für das erste Quartal 2025 meldeten die Amtsgerichte nach endgültigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes 5891 beantragte Unternehmensinsolvenzen und damit 13,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Diverse Auskunfteien rechnen für das Gesamtjahr mit mehr Firmenpleiten als 2024.
Im vergangenen Jahr war amtlichen Zahlen zufolge mit 21'812 Fällen ein Höchststand seit dem Jahr 2015 registriert worden. Der Anstieg war erwartet worden, nachdem die staatliche Unterstützung aus der Corona-Pandemie ausgelaufen war. Zudem belasten hohe Energiepreise, Bürokratie und politische Unsicherheit die Unternehmen.
Die jüngsten Zahlen der Wiesbadener Statistiker machen zumindest Hoffnung, dass die Pleitewelle gebrochen sein könnte: Erstmals seit März 2023 gab es in einem Monat weniger angemeldete Insolvenzverfahren als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt anhand vorläufiger Daten für den Mai mitteilte.
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